Wenn die Brand brennt …

Warum Krisenkommunikation in der Stiftungslandschaft immer wichtiger wird

Die Beispiele von Oxfam und Ärzte ohne Grenzen in jüngster Zeit zeigen, was passiert, wenn man sich nicht mit dem Thema Krisenkommunikation beschäftigt. Schlecht vorbereitet und nicht ausreichend präpariert werden zwei große spendensammelnde Organisationen zum Spielball der Medien.

Dabei ist die Kommunikation für spendensammelnde Organisationen noch viel wichtiger als für Konzerne wie VW und Mercedes. In Zeiten des steigenden Wettbewerbs um die Spenden auf dem deutschsprachigen Markt wird der persönliche Kontakt und das authentische Auftreten der gemeinnützigen Akteure immer wichtiger. Gerade in den Zeiten der Digitalisierung treten Werte wie Vertrauen wieder in den Vordergrund, und sind am Ende das entscheidende Zünglein an der Waage, wenn es um Spenden und Kooperationen geht.

In der Krise werden Millionen vernichtet

Viele Stiftungen beschäftigen sich erst mit (Krisen-) Kommunikation, wenn es zu spät ist. Frei nach dem Motto: Wir sind die Guten, uns kann gar nichts Böses passieren!
dabei zeigt das Beispiel Oxfam, wie gefährlich diese Einstellung ist.

Die britische Hilfsorganisation geriet schon vor Jahren in einen handfesten Skandal: Einem Report zufolge kam es nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti im Jahr 2010 unter anderem zu sexueller Ausbeutung, Belästigung und Einschüchterung durch Oxfam-Mitarbeiter, die den Menschen in dem Land Nothilfe leisten sollten. Bis jetzt sind 26 Fälle bekannt, sechs Mitarbeiter und der Oxfam-Leiter für Haiti wurden entlassen.

Zwar entschuldigte sich der britische Leiter der Organisation, Mark Goldring von „ganzem Herzen“, glaubwürdig war das Verhalten des Managements aber nicht. Denn bei 26 (dokumentierten) Fällen steigt die Zahl der Mitwisser durch Betroffene, Täter und deren Freunde und Angehörige in der Regel sehr schnell. Das heißt: Vergehen in dieser Größenordnung bleiben in einer Organisation wie Oxfam nicht unentdeckt und sind keine Einzelfälle! Also muss das Management davon gewusst haben. Tatsächlich deckten Journalisten Vertuschungsversuche auf.

Aussitzen ist heute keine Option mehr

Völlig falsch ist hier die Häppchentaktik: Immer nur so viel verraten, wie der Journalist schon selber herausgefunden hat. Frei nach dem Motto: Bloß nichts preisgeben, was nicht schon bekannt ist, um sich nicht selber bloßzustellen. Ein Tipp: Wer sich in dieser Situation befindet, der ist schon bloßgestellt! Hier hilft es tatsächlich, in die Offensive zu gehen, um die eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Stiftung wiederherzustellen.

Für Oxfam erwies sich die Schweige-Strategie als riesiger millionenschwerer Fehler: In den ersten zehn Tagen der Berichterstattung sprangen rund 7000 Spender ab, darunter auch das Schweizer Department für Auswärtige Angelegenheiten. Die Schweiz hatte Oxfam zwischen 2013 und 2017 mit rund 18 Millionen Euro unterstützt. Auch die britische Regierung erwägt einen Stopp aller Unterstützungsgelder in Höhe von 36 Millionen Euro pro Jahr.

Eine Krise auszusitzen war vielleicht zu Zeiten Helmut Kohls eine Option, heute ist sie das nicht mehr. Denn auch die Medien werden ungehalten, die Berichte werden kritisch und am Ende hat auch die Presse einen festen Standpunkt zu dem Thema und Oxfam steht moralisch mit dem Rücken an der Wand. Ähnlich erging es auch anderen Organisationen: Bei Ärzte ohne Grenzen soll es im vergangenen Jahr zwei Dutzend sexuelle Übergriffe durch Mitarbeiter gegeben haben. Die Hilfsorganisation machte die Fälle laut der Nachrichtenagentur Reuters öffentlich, um nach dem Skandal bei Oxfam Transparenz zu zeigen. Auch bei der Kinderhilfsorganisation Plan International soll es Im Zeitraum von 2016-2017 mindestens sechs Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern gegeben haben. Aber erst nachdem Oxfam in die Schlagzeilen geriet, ging auch Plan an die Öffentlichkeit – viel zu spät!

Qualität und Schnelligkeit sind entscheidend

In diesem Fall hätten alle Organisationen zum Zeitpunkt der Missbrauchsfälle Krisenkommunikation gebraucht: Eine gründliche Analyse der Situation, konsequenter Umgang mit den Tätern, aber auch Unterstützung für die und Kommunikation mit den Betroffenen und dann natürlich maximale Transparenz in der Öffentlichkeit – bevor ein Mitarbeiter an die Presse geht. Hätte das den Organisationen geschadet? Sicherlich, aber man hätte diese Krise meistern können, nicht zuletzt, indem man den Zeitpunkt der Veröffentlichung und damit auch der Berichterstattung in der Hand gehabt hätte.

Denn die Vergangenheit zeigt: Steckt man erstmal mittendrin in der Krise, kommt man nur ganz schwer wieder heraus! So geriet nicht nur der WWF nach einer WDR-Reportage über Mauschel-Geschäfte in Brasilien in die Schlagzeilen. Ähnlich erging es dem ADAC, dessen gelbe Chef-Engel nach dem Skandal um geschönte Abstimmungsergebnisse geschockt und falsch reagierten, nämlich mit der Behauptung, es wäre alles mit rechten Dingen zugegangen. Und auch bei der namhaften Stiftung Menschen für Menschen– Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe dauerte es Monate, um die öffentlichen Korruptionsvorwürfe eines Großspenders zu entkräften. In diesen Krisen zeigt sich die Qualität einer Kommunikationsabteilung in der Substanz und der Schnelligkeit der Reaktion.

Was sind die Grundregeln der Krise?

Zuerst einmal gilt es die Grundregeln der Krisenkommunikation zu beherrschen. Dafür gibt es das Grundregeln, nach denen man die Krise benennt, einordnet und dann reagieren kann. Was genau ist passiert? Welche Fakten liegen auf dem Tisch?

Wichtig: Erst wenn man die ganze Geschichte von allen Seiten kennt, kann man auch richtig und authentisch reagieren. Notfalls mit einer öffentlichen glaubwürdigen Entschuldigung. Die Angst vor einer wie auch immer gearteten Enthüllung ist immer ein schlechter Berater.

Im Beispiel des WWF war es Kommunikationschef Marco Vollmar, der die wichtigsten Grundregeln sofort umsetzte. Auszug:

  1. Überprüfung aller Vorwürfe und Aufstellung der Fakten
  2. Krisenstrategie
  3. Durchspielen verschiedener Szenarien
  4. Aufbau eines Diskussionsforums
  5. Frühes Eröffnen von entsprechenden Twitter- und Facebook-Konten
  6. Aufbau einer Hotline für Fragen und Kritik
  7. Gründung einer Task Force, die auch online präsent und transparent ist

Oberstes Ziel muss die absolute Transparenz in der Kommunikation sein, hinter der alles und jeder zurücksteht. Hier helfen auch keine taktischen Spielchen, denn erst wenn die Öffentlichkeit wieder an den Absender glaubt, erreichen die Botschaften auch ihr Ziel. Also: schonungslose Offenheit! Der WWF entsandte Sonderfahnder, die Stiftung Menschen für Menschen ermittelte verdeckt und der ADAC beauftragte externe Spezialisten. Erst wenn man alle Fakten kennt, kann man auch handeln!

Krisenstrategie konsequent umsetzen!

Am Beispiel des WWF kann man sehen, wie konsequent die Krisenstrategie umgesetzt wurde, bis hin zu juristischen Schritten. Reporter des WDR hatten sich auf ein sogenanntes Schwarzbuch bezogen, in dem dem WWF dubiose Machenschaften vorgeworfen wurden. Nach einem internen Faktencheck ging der WWF in die Offensive und verklagte den Verlag des Autoren und den WDR. Tatsächlich gewann der WWF vor Gericht und die Behauptungen durften nicht mehr wiederholt werden.
Die Lehre daraus: Natürlich wird man immer versuchen, mit den beteiligten Journalisten zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Überschreitet die Berichterstattung aber eine Grenze und kennt man die Faktenlage ganz genau, dann muss man konsequent handeln, um die Krise zu bewältigen.

Die wichtigste Regel: Mit der Krise rechnen!

Kann man sich vor Krisen schützen? Die Antwort lautet: Nein! Davor ist niemand gefeit. Gerade kleine und mittlere Stiftungen müssen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf diese Situationen vorbereiten. Ein detaillierter Fragenkatalog und Ablaufplan (Wer sagt was, wie läuft die Kommunikation) ist ebenso ratsam wie ein Durchspielen der Situation, bevor sie eintritt. Oder um es mit den Worten von Dr. Peter Schaumberger, dem geschäftsführenden Vorstand der Stiftung Menschen für Menschen – Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe, zu sagen: „Wir wissen jetzt, was passieren kann und sind darauf vorbereitet. Wir glauben nicht mehr, dass es uns schon nicht treffen wird. Das ist ein riesiger Unterschied!“

Kurz & knapp

Viele Organisationen beschäftigen sich erst mit (Krisen-) Kommunikation, wenn es zu spät ist. Dabei sind gemeinnützige Organsationen und Stiftungen sind besonders anfällig für Krisen. Denn das Vertrauen der Spender muss immer wieder verdient werden. Deshalb gilt: Die Krise da erkennen, wo sie ensteht und dann sofort und konsequent handeln. Dabei muss die eigene Organisation erntsprechend aufgestellt und vorbereitet sein, denn Krisenkommunikation betrifft nihct nur die Öffentlichkeit.

Angaben zum Autor in einem kurzen Satz:

Jörg Schumacher ist Absolvent der Springer Journalistenschule und war elf Jahre bei BILD,  später Blattmacher bei der Bauer Media Group und Chefredakteur im Jahreszeitenverlag. Seit 2011 arbeitet Jörg Schumacher als Kommunikationsberater für gemeinnützige Organisationen, als Moderator und als Referent. Email: js@js-medienberatung.de , www.js-medienberatung.com


Beitragsbild von Jakub Żerdzicki auf Unsplash